Rechtsschutzversicherung – Streiten ohne Risiko?

Die Werbung der Versicherer erzeugt ein klares Bild: "Advocard ist Anwalts Liebling"!

Dieser Slogan ist mit Grund sehr bekannt und geradezu zum geflügelten Wort geworden. Die dazu gehörige Szene: Sie gehen zum Anwalt, übergeben diesem Ihre Versicherungskarte - und sind alle Sorgen um den Ausgang Ihres Streits und insbesondere die mit diesem verbundenen Kostenrisiken los. Der beste Anwalt, null Kosten! So soll es sein.

Sie werden es ahnen, es ist mit der Werbung hier wie sonst: ganz so ist es in der Realität leider nicht.

Rechtsschutzversicherungen sind nützliche Versicherungen. Wo sie eingreifen, schützen sie Sie tatsächlich vor den Kosten, die mit rechtlichen Streitigkeiten verbunden sind: Gerichtskosten, Sachverständigenhonorare, die Kosten des eigenen wie jene des gegnerischen Rechtsanwalts, etc.

Ob Sie in einen Rechtsstreit verwickelt werden oder nicht, können Sie in vielen Fällen nicht steuern und beeinflussen. Verkehrsunfälle kommen stets überraschend. Gleiches gilt beispielsweise für Streitigkeiten um Mängel gekaufter Sachen. Die Auswahl können Sie noch so sorgfältig treffen; dagegen, dass Ihnen am Ende etwa ein mangelhaftes Auto geliefert wird, sind Sie nicht gefeit. Die Kündigung Ihres Arbeitsplatzes können Sie im Einzelfall vorher vielleicht auf sich zukommen sehen, verhindern oder durch eine Abfindung finanziell abfedern können Sie sie ohne Anwalt und Gericht nicht. Die Konsequenzen von Streitigkeiten, in die Sie auf diese Weise verwickelt werden, können sehr weitreichend sein. Häufig geht es um viel Geld oder gar die berufliche oder familiäre Existenz. Entsprechend hoch sind die drohenden Kosten. Und entsprechend wichtig ist es, gegen dieses Kostenrisiko versichert zu sein.

Inhalt des folgenden Textes

 

Teil 1

Welches Paket wählen und bei welcher Gesellschaft?

Die Versicherungen machen es Ihnen nicht einfach: es gibt eine ganze Reihe von unterschiedlich geschnürten Versicherungspaketen zu ganz unterschiedlichen Kosten. Die Standardpakete sind in den sogenannten Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (abgekürzt: ARB) beschrieben und geregelt. Zusätzlich hat aber jeder Versicherer seine Sonderklauseln und -bedingungen. Was bei der einen Versicherungsgesellschaft in einem bestimmten Paket mit versichert ist, kann bei einer anderen durchaus vom Versicherungsumfang ausgeschlossen sein. Der Teufel - und so manches Mal die Erklärung für einen auf den ersten Blick günstig erscheinenden Beitragssatz -  steckt auch hier im Detail.

Überlegen Sie daher vor dem Abschluss einer Rechtsschutzversicherung, welche Versicherungsbereiche Sie absichern müssen und wollen. Je mehr Bereiche Sie abdecken, desto höher natürlich der Beitrag. Die gängigsten Versicherungspakete sin

In jeweils unterschiedlich weitreichender Kombination bieten die Pakete:

Der Verkehrs-Rechtsschutz ist für Autofahrer unverzichtbar.

Ebenso wichtig ist für Arbeitnehmer der Berufs- oder Arbeitsrechtsschutz. Denn anders als bei Amts- und Landgericht gilt vor dem Arbeitsgericht die Regel, dass bis zum Ende der ersten Instanz jede Seite die Kosten ihres Anwalts selbst dann tragen muss, wenn sie den Prozess gewinnt. Erst ab der Berufungsinstanz gilt auch für arbeitsgerichtliche Prozesse die Regel, dass derjenige alle Kosten tragen muss, der verliert. Das erhöht das Kostenrisiko: die Kosten des eigenen Anwalts bis zum Ende der ersten Instanz bleiben in jedem Fall an Ihnen hängen und stellen einen Abzugsposten von dem dar, was Sie erstreiten wollen oder müssen. Dagegen sichert Sie der Berufs-Rechtsschutz ab.

Ob Sie sich auch gegen die Kosten von Miet- oder Grundeigentumsstreitigkeiten absichern wollen, und welches Paket Sie insgesamt in den Rechtsschutz einbinden, ist nicht zuletzt eine Frage der individuellen Abwägung von Nutzen und (Beitrags-)Kosten.

Ganz wichtig: vergleichen Sie die konkreten Versicherungspakete und Beiträge verschiedener Versicherungsgesellschaften. Sowohl die Beitragshöhen als auch der Versicherungsumfang unterscheiden sich bei den verschiedenen Anbietern, teilweise sogar ganz enorm. Sehen Sie ganz genau hin, auch wenn Ihnen das in diesem Zeitpunkt mühselig erscheinen wird. Wer liest schon gern Versicherungsbedingungen, bevor er die Versicherung überhaupt das erste Mal benötigt?. Es kommt hinzu, dass die ARB so kompliziert formuliert sind, dass sie für Nichtjuristen kaum zu verstehen sind. Ein Schelm, der Böses dabei denken mag. Dennoch: es liegt in Ihrem ureigenen Interesse, sich da durchzuquälen. Wenn Sie bei bestem Bemühen die notwendige Klarheit nicht bekommen, ziehen Sie einen Fachmann zu Rate, beispielsweise einen Versicherungsmakler, und bitten Sie diesen, den erforderlichen Detailvergleich für Sie vorzunehmen und Ihnen zu raten, welche Versicherung für Ihren Bedarf die günstigste ist.

Tipp 1:
Verschaffen Sie sich einen ersten Überblick über Versicherungsgesellschaften und angebotene Pakete - beispielsweise im Internet, anhand der von der Stiftung Warentest regelmäßig veröffentlichten Übersichtsartikel und Beitragsvergleiche oder mit Hilfe eines Versicherungsmaklers.

Entscheiden Sie sich für 2 oder 3 Gesellschaften, deren Angebote Sie in die engere Wahl ziehen und auf das Preis-Leistungs-Verhältnis näher prüfen. Vergleichen Sie anhand des Leistungsumfangs, den die ausgewählten Pakete bieten, ob der niedrigste Beitrag wirklich die für Sie günstigste Versicherung beinhaltet. Überlegen Sie auch, welchen Betrag an Selbstbeteiligung je Versicherungsfall Sie zu tragen bereit und in der Lage sind, um so den Versicherungsbeitrag zu senken.

Wo es möglich ist, beziehen Sie in Ihre Entscheidung auch Erfahrungen mit der Regulierungspraxis der nach Beitragssatz und Leistungsumfang ausgewählten Versicherung ein. Zahlt die Versicherung im Bedarfsfall reibungsfrei oder nur nach längerer Korrespondenz und hinhaltendem Widerstand, was Sie weitere Zeit, Nerven und Ärger kostet? Derartige Informationen sind nicht immer einfach zu beschaffen. Die Artikel der Stiftung Warentest oder die entsprechende Frage an den Versicherungsmakler bzw. den Anwalt Ihres Vertrauens können aber auch insoweit behilflich sein.

Der Aufwand lohnt spätestens dann, wenn Sie die Rechtsschutzversicherung das erste Mal tatsächlich in Anspruch nehmen müssen und es sich erweist, dass der konkrete Streitfall von der Versicherung, die Sie gewählt haben, abgedeckt ist, während er es bei einer anderen Gesellschaft nicht wäre.

Teil 2

Wann zahlt die Rechtsschutzversicherung und was?

Der genaue Blick in die Versicherungsbedingungen vor Vertragsabschluss, wenn Sie ihn nicht gescheut haben, fördert auch dies zutage:

Rechtsschutzversicherungen sind nützlich und für bestimmte Risikobereiche dringend zu empfehlen - sie decken aber nicht alles ab und selbst die "Komplett"-Pakete haben grosse Lücken.

Leistungssausschlüsse

Die Liste der vom Versicherungsumfang ausgeschlossenen Angelegenheiten ist lang. Ausgeschlossen sind insbesondere im Regelfall:

Die Frage, ob eine bestimmte Streitigkeit von Ihrer Rechtsschutzversicherung abgedeckt ist oder nicht, kann wegen der Kompliziertheit der ARB in vielen Fällen nur ein Jurist anhand der dazu ergangenen Rechtsprechung der Gerichte beantworten. Es ist daher zu empfehlen, dass Sie die Frage des Versicherungsschutzes den Anwalt Ihres Vertrauens prüfen lassen, bevor Sie sie vorschnell mit nein beantworten.

Versicherungsfall

Voraussetzung dafür, dass die Rechtsschutzversicherung die Ihnen entstehenden Kosten übernimmt, ist der Eintritt eines Rechtsschutzfalls. Darunter wird im Schadensersatz-Rechtsschutz der Eintritt eines Schadensereignisses (z.B. ein Verkehrsunfall) verstanden, im Beratungs-Rechtsschutz der Eintritt eines Ereignisses, das die Änderung der Rechtslage des Versicherungsnehmers oder einer mitversicherten Person zur Folge hat (z.B. die vom Ehegatten vollzogene Trennung oder ein Todesfall, der Fragen der Erbfolge begründet). In allen anderen Fällen liegt ein Versicherungsfall dann vor, wenn aus Sicht des Versicherungsnehmer oder seines Gegners die jeweils andere Seite einen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Dabei reicht es aus, wenn der Rechtsverstoß nur schlüssig behauptet wird.

Wartezeit

Hinzu kommt, dass der Zeitpunkt, in dem der Rechtsschutzfall eingetreten ist, während des Versicherungszeitraums und nach Ablauf der Wartezeit liegen muss. Die Wartezeit beträgt regelmäßig drei Monate ab dem Zeitpunkt des Versicherungsbeginns. Von der Bedingung der Wartezeit sehen die Versicherungen beim Verkehrsrechtsschutz ab, ansonsten nur bei dem Wechsel von einer zu einer anderen Rechtsschutzversicherung.

Erfolgsaussichten

Die Kosten eines vom Versicherungsumfang abgedeckten Falls trägt die Rechtsschutzversicherung, soweit Erfolgsaussichten bestehen, wobei die Versicherungen zumeist die entsprechende Einschätzung des von Ihnen beauftragten Rechtsanwalts akzeptieren.

Tipp 2:
Fragen Sie Ihren Anwalt, ob er bereit ist, die Gewährung von Rechtsschutz für Sie bei der Versicherung zu beantragen. Das erhöht die Chancen einer schnellen und reibungsfreien Zusage, weil der Anwalt weiß, welche Angaben und Belege die Versicherung benötigt und verlangen wird.

Tipp3:
Sagt die Versicherung auf eine Rechtsschutzanfrage erst einmal nein, geben Sie nicht gleich auf. Haken Sie nach und bitten Sie Ihren Anwalt zu prüfen, ob die Entscheidung korrekt ist. Wenn nein, beauftragen Sie ihn, Ihren Rechtsschutzanspruch gegenüber der Versicherung durchzusetzen. Er wird dazu sicher bereit sein. Die Quote der Fälle, in denen die Versicherungen erst einmal nein sagen und den Rechtsschutz erst auf begründete Aufforderung des Anwalts und nach mehrfachem Schriftwechsel schließlich doch zusagen, ist zumindest in unserer Kanzlei erstaunlich hoch.

Heutzutage orientieren sich auch die Rechtsschutzversicherungen zunehmend an dem Ziel größtmöglicher Gewinnerzielung, und der Gewinn steigt mit verminderten Kosten, die für Rechtsschutzfälle aufzubringen sind. Daraus resultiert die Tendenz vieler Versicherungen, zu Rechtsschutzanfragen im Zweifel erst einmal nein zu sagen - nach dem Motto: Den Versuch ist es wert, und Ja können wir immer noch sagen, wenn es mit dem Nein nicht funktioniert! Aus anwaltlicher Sicht hat es den Anschein, dass den Sachbearbeitern bei den Versicherungen möglicherweise explizite Regulierungsanweisungen mit (sinngemäß) diesem Inhalt vorgegeben oder aber Prämien für verminderte Rechtsschutzausgaben zugesagt werden, so sehr häuft sich inzwischen eine restriktive Zusagepraxis.

Leistungsumfang

Liegen alle Voraussetzungen für die Gewährung von Rechtsschutz und die Zusage der Versicherungsgesellschaft vor, übernimmt diese insbesondere

Teil 3

Die Abwicklung des Rechtsschutzfalls

Die Abwicklung auch der weiteren Korrespondenz mit der Rechtsschutzversicherung im Anschluss an die Rechtsschutzzusage, bis hin zur Schlussabrechnung, übernimmt im Regelfall der Anwalt, den Sie mit Ihrer Beratung oder Vertretung in der zugrunde liegenden Streitigkeit beauftragt haben. Das erspart Ihnen die Arbeit und ist im Hinblick auf die komplizierten Versicherungsbedingungen sowie Ihre Obliegenheiten gegenüber der Versicherung sinnvoll. So sind Sie beispielsweise gehalten, vor der Erhebung von Klagen oder der Einlegung von gerichtlichen Rechtsmitteln jeweils vorher die Zustimmung der Versicherung einzuholen und die Erfolgsaussichten, auch der Höhe nach, zu begründen.

Im Grunde handelt es sich dabei um eine gesondert zu vergütende Tätigkeit. Zumeist übernehmen die Rechtsanwälte die Korrespondenz mit der Rechtsschutzversicherung aber als kostenlose Zusatzleistung, jedenfalls solange sie nicht mit einem größeren Aufwand verbunden ist.

Leider setzt sich indes die schon angesprochene restriktive Regulierungspraxis der Versicherungen auch nach der grundsätzlichen Zusage des Kostenschutzes fort. Die Korrespondenz mit Rechtsschutzversicherungen in allen Phasen der Mandatswahrnehmung nimmt stetig zu. Insbesondere die Kostenrechnungen kürzen die Sachbearbeiter bei den Versicherungen häufig rigide und in aller Regel ohne nähere Begründung. Das hat insbesondere zur Folge, dass der Rechtsanwalt seine Rechnungen in einer zuweilen ausgedehnten Korrespondenz gegenüber der Rechtsschutzversicherung rechtfertigen muss, , wenn er die verdiente Vergütung für seine Tätigkeit erhalten will. Letztendlich zahlen die Versicherungen, so jedenfalls die Erfahrungswerte unserer Kanzlei, zwar fast immer. Festzustellen ist aber auch, dass die Zahl der Fälle zunimmt, in denen der vollständige Rechnungsausgleich erst erfolgt, wenn der Entwurf der Klage auf Zahlung gegen die Versicherung übersandt und damit letztmalig die Gelegenheit zur Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben wird.

Hilft auch dies nicht, kann das Klageverfahren eventuell noch durch einen Schlichtungsspruch des Ombudsmannes für die Versicherungswirtschaft entbehrlich gemacht werden, der innerhalb bestimmter Grenzen für die Versicherung verbindlich ist.

Im Resultat dieser Entwicklung kann der Service der Rechtsschutzbeantragung und -abwicklung durch den beauftragten Anwalt nur noch in begrenztem Umfang kostenfrei erbracht werden. Bedauerlicherweise muss inzwischen auch unser Büro seine Mandanten bitten, sich an den Kosten der Korrespondenz mit der Rechtsschutzversicherung zu beteiligen, wenn ein vertretbares Maß an Aufwand überschritten wird.

Letztendlich kann ein weiteres Kapitel des Themas Rechtsschutzversicherung nicht unerwähnt bleiben. Am Ende der Abwicklung eines Rechtsschutzfalls steht nicht selten und mit zunehmender Tendenz die Kündigung der Versicherung.

Lehnt die Versicherung die Gewährung von Rechtsschutz ab, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre, können Sie als Versicherungsnehmer den Vertrag vorzeitig kündigen.

Umgekehrt kann die Versicherungsgesellschaft den Vertrag kündigen, wenn sie Rechtschutz  für zwei oder mehr innerhalb eines Jahres eingetretene Versicherungsfälle gewähren muss.

Von dieser Kündigungsmöglichkeit machen die Versicherungsgesellschaften mit zunehmender Zahl Gebrauch. Das kann für Versicherungsnehmer bittere Folgen haben.  Es kann bedeuten, dass Sie über längere Jahre Beiträge gezahlt haben, die Versicherung aber nicht in Anspruch nehmen mussten, dass Sie dann in einem Jahr Pech hatten und die Versicherung zwei Rechtschutzfälle tragen musste, worauf  sie mit der Kündigung reagiert.

Das wiederum hat zur Konsequenz, dass Sie keine neue Rechtsschutzversicherung erhalten. In allen Antragsformularen für Rechtsschutzversicherungen steht die vorgedruckte Frage, ob in den vergangenen Jahren eine Rechtsschutzversicherung durch Kündigung der Versicherung beendet worden ist. Wird die Frage bejaht, lehnen die Versicherungen den Antrag regelmäßig ab, ohne auch nur nach Einzelheiten zu fragen. Ist Ihre Pechserie nicht beendet, stehen Sie ohne Kostenschutz da. Verneinen Sie demgegenüber die Frage wahrheitswidrig, ist der Vertrag anfechtbar, wenn später herauskommt, dass es doch eine Kündigung gab, und nichts gewonnen. Eventuell schon bezogene Leistungen müssen Sie zurückerstatten.

Auf diese Weise haben die Rechtsschutzversicherungen die bedenkliche Möglichkeit, den Kreis ihrer Versicherungsnehmer von Fall zu Fall auf einen Personenkreis zu konzentrieren, der eine eher geringe Bereitschaft zur Auseinandersetzung und Austragung von Konflikten und eher geringe Kostenrisiken mit sich bringt, dennoch aber bereit ist, regelmäßige Versicherungsbeiträge zu zahlen - ein vergleichsweise risikofreies und einseitiges Geschäft.