Durchsuchung

Es geschieht mit Vorliebe frühmorgens. Um sechs Uhr aus dem Bett geholt sind die Betroffenen in aller Regel überrascht. Gerade wegen des Überrumplungseffekts lässt sich für die Ermittlungsbehörden so mancher Erfolg erzielen, der im vorhinein nicht unbedingt erwartet werden konnte. Davon machen sie gerne Gebrauch.

Es klingelt, die Polizei steht vor der Tür, möglicherweise sogar in Begleitung eines Staatsanwalts, will hereinkommen, alles durchsuchen, und lässt sich nicht überzeugen, dass Ihnen der Besuch im Moment gar nicht gelegen kommt. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle hat der Betroffene mit einer solchen Situation nicht gerechnet und ist unvorbereitet. Im Pyjama lässt sich im übrigen nicht unbedingt gut verhandeln. Was also tun?

Verhindern können Sie eine Durchsuchung, die im Rahmen eines Strafverfahrens erfolgt, in aller Regel nicht. Meist ist sie vorher von einem Ermittlungsrichter angeordnet worden. Sie können allenfalls dafür Sorge tragen, dass sie in geordneten Bahnen verläuft und dass unnötiger Schaden vermieden wird. Dort, wo die für Durchsuchungen geltenden gesetzlichen Regeln verletzt werden, können Sie dafür sorgen, dass dies dokumentiert wird und dadurch später möglicherweise ein Verwertungsverbot für Beweismittel eingreift, die auf rechtswidrige Weise im Rahmen der Durchsuchung aufgefunden und sichergestellt worden sind.

Tipp 1:
Widerstand gegen die Durchsuchung oder die Beschlagnahme eines dabei gefundenen Gegenstands  ist zwecklos! Bleiben Sie gefasst, so ruhig und freundlich wie möglich, und lassen Sie geschehen, worauf die Beamten bestehen.

Tipp 2:
Fragen Sie die Beamten nach

  • ihren Namen und Dienstbezeichnungen,
  • dem Grund der Durchsuchung, d.h. nach der Straftat, die aufgeklärt werden soll,
  • nach was gesucht wird,
  • ob Sie in dem zugrunde liegenden Verfahren als Beschuldigter oder Zeuge geführt werden,
  • wer die Durchsuchung angeordnet hat und ob es einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss oder eine schriftliche Durchsuchungsanordnung durch die Staatsanwaltschaft gibt,
  • falls nein, warum die Durchsuchung so eilbedürftig ist, dass kein richterlicher Beschluss herbeigeführt werden kann.

Notieren Sie Fragen und Antworten, spätestens wenn die Beamten wieder gegangen sind, so genau wie es Ihnen möglich ist.

Tipp 3:
Ergeben die Fragen, dass es einen Durchsuchungsbeschluss oder eine schriftliche Anordnung gibt, verlangen Sie, dass er Ihnen ausgehändigt wird, jedenfalls in Kopie, und lesen Sie ihn sorgfältig durch. Bestehen Sie darauf, dass Sie genügend Zeit zum Lesen haben.

Es ist Ihr gutes Recht, prüfen zu können, warum das notfalls zwangsweise Eindringen in Ihren Privatbereich angeordnet worden und ob die Anordnung den gesetzlichen Vorschriften entspricht, bevor Sie entscheiden, ob Sie die Damen und Herren freiwillig gewähren lassen und aktiv kooperieren, oder ob Sie es nur unter Protest geschehen lassen und passiv dulden.

„Opfer“ einer Durchsuchung kann nicht nur der Beschuldigte sein, der einer Straftat verdächtigt wird, sondern auch ein möglicherweise völlig Unbeteiligter, wenn Anhaltspunkte für die Vermutung bestehen, dass sich ein seinem Besitz Gegenstände oder Unterlagen befinden, die für die Aufklärung einer Straftat als Beweismittel von Bedeutung sind.

Ohne richterliche Anordnung ist eine Durchsuchung nur unter engen Voraussetzungen zulässig, wenn so genannte Gefahr im Verzug anzunehmen ist. Fragen Sie in diesem Fall nach den Gründen, warum die Durchsuchung so eilbedürftig ist, dass nicht zuvor die richterliche Entscheidung herbeigeführt werden kann. Protestieren Sie in jedem Fall, wenn die Durchsuchung mit Gefahr im Verzug begründet wird.

Tipp 4:
Bei Durchsuchungen im Betrieb: Informieren Sie sofort die Unternehmensleitung bzw. Ihren nächsthöheren Vorgesetzten, damit schnellstmöglich die zuständige Person vor Ort ist und den Kontakt mit den Ermittlungsbeamten abwickeln sowie die nötigen Entscheidungen treffen kann. Organisieren Sie einen Raum für die zu erwartenden Gespräche, damit die Durchsuchung fern vom Publikumsverkehr stattfindet und Kunden sowie Belegschaft von dem ganzen möglichst wenig mitbekommen.

Tipp 5:
Versuchen Sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt, einen Rechtsanwalt oder Strafverteidiger Ihres Vertrauens ans Telefon zu bekommen, schildern Sie diesem die Situation und bitten Sie ihn, mit den Beamten zu sprechen. Bitten Sie ihn weiterhin, zu kommen, die Durchsuchungsaktion zu begleiten und den ordnungsgemäßen Ablauf zu überwachen. Bitten Sie die Beamten, dass sie mit dem Beginn der Durchsuchung bis zum Eintreffen des Anwalts warten.

Der mit solchen Situationen vertraute Anwalt kann häufig bereits dem Gespräch mit Ihnen und dem Beamten, der die Aktion leitet, entnehmen, ob es Grund gibt, ihn hinzuzuziehen und Sie zu schützen, oder ob er für Sie Entwarnung geben kann.

Kommt der Anwalt anschließend, wird die Gefahr deutlich geringer sein, dass die Beamten bei der Durchsuchung die einzuhaltenden Regeln verletzen.

Während der Durchsuchung, insbesondere wenn kein Verteidiger dabei ist, nutzen die Ermittlungsbeamten gerne die Gelegenheit, Fragen zum Gegenstand des Verfahrens zu stellen und Sie in ein Gespräch zu verwickeln, zu dem Vorwurf, der gegen Sie erhoben wird, bzw., soweit Sie nur als Zeuge von Interesse sind, zu dem Tatgeschehen oder Begleit- und Folgeumständen.

Tipp 6:
Im Zweifel gilt auch hier: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Das gilt auch, wenn Sie den Vorwurf für unbegründet erachten. Machen Sie keine Äußerungen, deren nachteilige Folgen Sie möglicherweise nicht absehen können, gerade wegen des Überrumpelungseffekts jeder Durchsuchung. Instruieren Sie Ihre Angehörigen oder Mitarbeiter, bei einer Befragung durch die Polizeibeamten keine Angaben zu machen, jedenfalls nicht vor einer Abklärung mit Ihnen.

Das ist legitim und kann so manche unbedachte Äußerung verhindern. Was nämlich einmal freiwillig gesagt ist, lässt sich in der Regel nicht mehr aus den Akten heraushalten.

Einzelheiten und nähere Tipps zu diesem Thema können Sie unter dem Stichwort Vorladung zur Polizei nachlesen. Machen Sie im Zweifel von Ihrem Schweigerecht Gebrauch und sagen Sie freundlich aber bestimmt, dass Sie keine Fragen in Zusammenhang mit der Durchsuchung oder ihrem Anlass beantworten möchten. Das werden die Beamten akzeptieren müssen und voraussichtlich auch tun. Versucht man im Einzelfall einmal, Sie unter Druck zu setzen und wissen Sie sich anders nicht mehr zu helfen, um Ihr Schweigerecht durchzusetzen: antworten Sie einfach gar nicht mehr und schweigen schlicht auf alle Fragen.

Irgendwann werden die Beamten dann mit dem eigentlichen Grund ihres Kommens, der Suche nach Beweismitteln, beginnen wollen. Das, wie schon gesagt, werden Sie nicht verhindern, durch die Frage nach dem was gesucht wird, möglicherweise aber kanalisieren und bewirken können, dass nicht Ihre ganze Wohnung, die Praxis oder die gesamte Buchhaltung auf den Kopf gestellt und als ansehnliches Chaos wieder verlassen wird.

Tipp 7:
Es ist Ihre freie Entscheidung, ob Sie bei der Suche aktiv mitwirken oder nicht. Sie müssen die Durchsuchung nur dulden, den Beamten aber nicht helfen, wenn Sie nicht wollen. Versuchen Sie sie nur nicht mit körperlichem Einsatz, mit Gewalt oder Drohungen aufzuhalten. Das kann Ihnen unter Umständen als seinerseits gesondert strafbarer Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ausgelegt werden.

Entscheiden Sie die Frage, ob Sie die Polizeibeamten suchen lassen oder ihnen zeigen, was sie suchen, und es herausgeben, anhand des Risikos, das sich in Ihren Räumen für Sie verbirgt. Geben Sie gesuchte Gegenstände bzw. Unterlagen, die man Ihnen konkret benennt, freiwillig heraus, bedeutet das häufig die Chance, dass andere Dinge nicht als Zufallsfund auftauchen. Umgekehrt: nicht alles was gesucht wird, wird auch gefunden.

Allerdings ist gerade bei Buchhaltungs- oder sonstigen Unterlagen sowie bei in der EDV gespeicherten Daten sorgfältig abzuwägen, ob Sie nicht freiwillig herausgeben, was gesucht wird. Die Gefahr ist groß, dass die Beamten ansonsten großzügig weit mehr an Unterlagen  und/oder Computern mitnehmen, als es unbedingt erforderlich wäre, und Ihren laufenden Betrieb dadurch unter Umständen enorm behindern und gefährden.

Unterschätzen Sie bei Ihrer Entscheidung bitte die Fähigkeiten und die Erfahrung der Beamten hinsichtlich der Durchführung von Durchsuchungen nicht. Die Hoffnung, dass etwas nicht gefunden werde, das da ist, wird allzu häufig enttäuscht. Die Polizeibeamten sind geschult in derartigen Aktionen und führen sie professionell durch. So leicht geht ihnen nichts durch die Lappen. Das Aufräumen des Chaos aber, wenn sie alles von oben nach unten kehren mussten, bis sie gefunden haben was sie suchen, nimmt Ihnen niemand ab.

Tipp 8:
Protokollieren Sie während der Durchsuchung alles, was Ihnen auffällig oder möglicherweise bedeutsam erscheint, und machen Sie Fotos.

Wenig ratsam erscheint allerdings der Versuch, während der Suchaktion Dinge oder Unterlagen verschwinden zu lassen. Wird das bemerkt, kann es Ihnen als Versuch der Verdunkelung ausgelegt werden und einen Grund ergeben, Sie festzunehmen und am Ende gar Untersuchungshaft anzuordnen.

Alles was die Beamten mitnehmen muss von ihnen protokolliert und in einem Sicherstellungsnachweis schriftlich fixiert werden. Unterschreiben Sie auf dem Nachweis nur, dass Sie ihn erhalten haben, aber nicht, dass Sie mit der Sicherstellung einverstanden sind. Dadurch wird eine richterliche Überprüfung der Beschlagnahme erforderlich und besteht für Sie die Möglichkeit, Widerspruch bzw. Beschwerde einzulegen.

Soweit es um Unterlagen oder Daten geht, die Sie beispielsweise im laufenden Geschäftsbetrieb benötigen, oder die Sie für eine Beratung mit Ihrem Verteidiger für relevant erachten, bitten Sie darum, vor der Mitnahme Kopien bzw. Datensicherungen fertigen zu können. Das wird in aller Regel kein Problem sein, wenn Sie einen Kopierer bzw. genügend CDs oder sonstige Datenträger im Haus haben.

Tipp 9:
Lassen Sie sich den Sicherstellungsnachweis aushändigen und kontrollieren Sie, ob darin alles und so genau wie möglich gekennzeichnet ist, was die Beamten mitnehmen. Darauf haben Sie einen Anspruch. Fertigen Sie Kopien von allen mitgenommenen Unterlagen. Erklären Sie nicht Ihr Einverständnis mit der Sicherstellung.

Nach Abschluss der Durchsuchung, wenn die Beamten gegangen sind, sollten Sie den Vorgang und das offenbar zugrunde liegende Verfahren in Ruhe überdenken. Wenn ein Ermittlungsverfahren einmal so weit gediehen ist, dass eine Durchsuchung angeordnet und durchgeführt wird, besteht in aller Regel Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren sich nicht von allein wieder erledigen und eingestellt wird.

Haben Sie im Zuge der Durchsuchung erfahren, dass sich das zugrunde liegenden Verfahren gegen Sie als Beschuldigter richtet, ist anzuraten, spätestens jetzt einen erfahrenen Strafverteidiger oder Fachanwalt für Strafrecht zu Rate zu ziehen. Dieser wird, bevor er gemeinsam mit Ihnen eine Entscheidung betreffend die Verteidigung trifft, zunächst die Ermittlungsakten einsehen und auf diese Weise feststellen können, was gegen Sie vorliegt und wie die Beweis- und Risikolage ist. Nur auf diesem Weg können Sie erfahren, was „im Busch“ ist, und können Sie bestimmen, wie Sie sich bestmöglich gegen die erhobenen Vorwürfe verteidigen können. Sie selbst haben keinen Anspruch auf die Gewährung von Akteneinsicht.