Baumängel

Die Möglichkeiten für Überraschungen, bis hin zu Katastrophen, die bei einem Bau auftreten können, sind nahezu unerschöpflich.

Plötzlich steht Wasser im Keller, das offenkundig aus der Außenwand austritt. Die Heizung funktioniert nicht. Im Haus verbreiten sich Risse im Putz, die immer breiter und länger werden. An den Fenstern und Türen spüren Sie auch im geschlossenen Zustand einen leichten Luftzug. Nach einem starken Regen steigt Wasser aus den Bodenabflüssen in der Waschküche auf. Das wunderschöne Parkett beginnt sich nach einem halben Jahr abzusenken; die Fußbodenleisten sitzen nicht mehr auf, sondern hängen plötzlich „in der Luft“, nach weiteren Monaten bereits einen ganzen Zentimeter. An den Wänden der Dachschräge bilden sich dunkle Flecken, die auf Schimmelpilzbildung hinweisen. Und so weiter …

Der  Baumangel ist da. Ab jetzt stellt sich nur noch die Frage: Was können Sie tun?

Ein größeres Problem muss das Auftreten eines Mangels nicht unbedingt werden. Wenn der Bauhandwerker auf Ihre Reklamation hin das Bestehen eines Mangels und seine Verantwortlichkeit einräumt, wird er ihn beseitigen und alles ist in Ordnung. Wenn …!

Leider stellt sich die Realität auf der Baustelle nicht immer so einfach und vielfach ausgesprochen konfliktträchtig dar. Aus diesem Grund geben wir Ihnen die nachfolgenden Hinweise und Tipps.

Baumängel

Ein Baumangel liegt vor, wenn das Bauwerk, das Sie in Auftrag gegeben haben – sei es ein Fertighaus, sei es ein Architektenhaus, seien es einzelne Bauleistungen, z.B. eine Heizung – nicht die vereinbarten Eigenschaften hat. Wenn der Bauvertrag keine konkreten Eigenschaftsvereinbarung, etwa in einer Bau- und Leistungsbeschreibung, enthält, muß die Bauausführung für die vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung geeignet sein und eine Beschaffenheit aufweisen, wie sie bei Werken der gleichen Art üblich ist und vom Besteller erwartet werden kann. Weicht die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit in diesem Sinne ab, liegt ein Baumangel im Sinne von § 633 BGB vor.

Die Feststellung eines Mangels kann einfach sein, wenn es eine detaillierte Baubeschreibung gibt und das Problem darin besteht, dass eine in ihr ausgewiesene Leistung fehlt oder anders als beschrieben ausgeführt worden ist. Bleiben im Ergebnis des Abgleichs von Baubeschreibung und tatsächlicher Bauausführung Zweifel bestehen, ob ein Mangel vorliegt, so befragen Sie dazu den Architekten, Bauleiter oder einen sonst beauftragten und greifbaren Experten. Bei schwierigen technischen Fragen empfiehlt es sich zudem, eine zweite Meinung einzuholen.

Kompliziert bis sehr kompliziert kann es insbesondere werden, wenn es eine genaue Baubeschreibung als Bestandteil des Bauvertrags nicht gibt. Dann kann es sein, dass sich die Frage, ob ein von Ihnen als fehlerhaft empfundener Zustand rechtlich einen Baumangel darstellt, ohne bautechnische und/oder baurechtliche Kenntnisse überhaupt nicht beantworten lässt. Die übliche Beschaffenheit, die vom Besteller erwartet werden kann und vom Bauhandwerker geschuldet wird, ist dann abhängig vom Stand der Bautechnik und den auf seiner Grundlage festgeschriebenen Anforderungen und Normen, wie sie für Bauleistungen gelten. Bekannt sind die sog. DIN-Normen, die es für alle möglichen Bauleistungen gibt. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Normenwerke, in denen der Stand der Bautechnik zum Ausdruck kommt. Das Bestehen eines Baumangels kann in einem solchen Fall nur ein Techniker, ein Architekt oder ein auf das Baurecht spezialisierter Rechtsanwalt feststellen.

Auch optische Fehler können nach den oben beschriebenen Kriterien Baumängel sein, die Sie nicht hinnehmen müssen. Kratzer im Parkett beispielsweise beeinträchtigen dessen Funktion als Bodenbelag nicht, sind aber unschön anzusehen, bei sorgfältiger Arbeit ohne weiteres zu vermeiden und müssen vom Bauherren daher nicht akzeptiert werden. Andererseits gibt es optische Beeinträchtigungen geringfügiger Art, die von den Gerichten nicht als Baumangel anerkannt werden. Der Teufel steckt hier im Detail.

Tipp 1:
Lässt sich für Sie anhand der Baubeschreibung im Vertrag nicht einwandfrei feststellen, ob ein Mangel vorliegt, den Sie reklamieren können, sollten Sie frühzeitig einen unabhängigen Fachmann zu Rate ziehen.

Inhalt des folgenden Textes

 

Teil 1

Baumängel vermeiden!

Tipp 2:
Baumängel  und daraus entstehende Konflikte lassen sich bereits im Vorfeld verhindern:

Aus diesem Grunde können Sie sich viele Probleme ersparen, wenn Sie die Bauausführung fortlaufend durch einen eigenen erfahrenen Experten auf der Baustelle akribisch überwachen lassen. Auch dazu finden Sie nähere Hinweise unter dem Stichpunkt Bauberatung.

Teil 2

Baumängel frühestmöglich feststellen!

Was Sie nicht gänzlich verhindern können, sollten Sie jedenfalls frühestmöglich feststellen.

Wird ein Baumangel nicht gleich nach seiner Entstehung entdeckt, kann es sein, dass er gar nicht mehr ohne weiteres festgestellt werden kann, weil das fragliche Bauteil durch die anschließenden Arbeiten verdeckt wird. Es entsteht der sog. verdeckte Mangel, der sich in manchen Fällen erst nach Jahren bemerkbar macht und zutage tritt – möglicherweise so spät, dass alle Ansprüche bereits verjährt sind.

Oder die Beseitigung des erst spät entdeckten Mangels wird aufwändig und sehr viel teurer als eigentlich notwendig.

Tipp 3:
Auch das Problem der frühestmöglichen Feststellung von Baumängeln können Sie durch einen eigenen Bauleiter, Sachverständigen oder sonstigen Überwacher, der die Bauarbeiten fortlaufend, am besten täglich koordiniert und überwacht, lösen.

Teil 3

Baumängel dokumentieren, reklamieren und beweisen!

Bei Mängeln, die nicht gleich bei Ausführung sondern erst später entdeckt werden, entsteht häufig Streit darüber, wer von den verschiedenen am Bau beteiligten Handwerkern für den Mangel verantwortlich ist und für ihn haftet. Den eigentlichen Verursacher herauszufinden erfordert dann, den Bauablauf zu rekonstruieren. Das kann im nachhinein unmöglich sein – es sei denn Sie sorgen rechtzeitig für eine Dokumentation, die Ihnen im nachhinein die Feststellung und den Beweis der Verursachung und Verantwortlichkeit erleichtert.

Tipp 4:
Verlangen Sie, dass die Bauhandwerker Baustellenprotokolle führen und dass das auch in den Bauvertrag aufgenommen wird. Überprüfen Sie, dass die Protokolle auch tatsächlich geführt werden und lassen Sie sich spätestens nach Bauabschluß eine Ablichtung übergeben.

Dazu ist der Bauhandwerker unter bestimmten Voraussetzungen ohnehin verpflichtet. Besser ist es indes, wenn die Verpflichtung klipp und klar im Vertrag steht.

Tipp 5:
Halten Sie den Baufortschritt fortlaufend und möglichst genau fotografisch fest, insbesondere Arbeiten, die im weiteren Fortgang verdeckt werden. Lieber 100 Fotos zuviel als eines zu wenig. Die Digitalkamera sollte Ihr ständiger Begleiter auf der Baustelle sein. Nach Ablauf der Gewährleistungsfrist die Fotos zu löschen ist ein Leichtes, benötigte Fotos im nachhinein zu produzieren nicht möglich.

Tipp 6:
Rügen Sie alle festgestellten Mängel schriftlich, schwerwiegende und streitige Mängel per Einwurfeinschreiben, schon um später im Streitfall die frühzeitige Reklamation belegen zu können.

Tipp 7:
Setzen Sie klare Fristen für die Nachbesserung ( „… bis zum …” ), die dem Bauunternehmen oder Handwerker ausreichend Zeit lassen.

Reagiert das Unternehmen nicht oder werden die Mängel nicht vollständig behoben, setzen Sie eine weitere Frist und kündigen Sie an, dass Sie nach deren fruchtlosem Ablauf  von den Ihnen zustehenden Gewährleistungsrechten Gebrauch und erforderlichenfalls den Vertrag kündigen bzw. von ihm zurücktreten werden.

Tipp 8:
Konsultieren Sie einen im Baurecht erfahrenen und versierten Rechtsanwalt, wenn die Mängel und die Meinungsverschiedenheiten sich häufen, Verzögerungen der Bauabwicklung eintreten oder die Diskussionen sich auf rechtliche Fragen zu verschieben beginnen (Was ist im Vertrag geregelt, was nicht? Welche Anforderungen muss die Bauleistung erfüllen? Wer von den beteiligten Handwerkern ist verantwortlich? Etc.)

Tipp 9:
Verlangen Sie nach Abschluß der Arbeiten die Durchführung eines Abnahmetermins, in dem das Bauwerk in allen Details begangen, die Mängelfreiheit überprüft und ein Abnahmeprotokoll aufgenommen wird. In diesem Protokoll werden alle noch bestehenden  und von Ihnen gerügten Mängel vollzählig und mit genauer Beschreibung aufgelistet.

Das Abnahmeprotokoll ist von großer Bedeutung, da es einen Scheidepunkt für die sog. Beweislast darstellt, den Beginn der Verjährungsfrist für die Gewährleistungsrechte markiert und die Vergütung fällig werden lässt, wenn Sie letztlich die Arbeiten als im wesentlichen einwandfrei abnehmen. Das können und müssen Sie tun, wenn lediglich eine geringere Zahl kleinerer Mängel festzustellen ist, die binnen kurzer Zeit behoben werden können.

Anders ist es, wenn viele oder zwar wenige, aber schwerwiegende Mängel festzustellen sind. In diesem Fall können Sie im Abnahmetermin die Erklärung der Abnahme verweigern, auf der vorherigen Beseitigung der Mängel bestehen und ankündigen, dass Sie die Abnahmeerklärung erst nach erfolgreicher Nachbesserung und anschließender Überprüfung in einem neuen Abnahmetermin abgeben werden.

Die Aufnahme des Protokolls können Sie Ihrem Architekten oder Bauleiter überlassen, der dafür aller Voraussicht nach über ein Formular verfügt. Ansonsten können Sie hier ein Formular für ein Abnahmeprotokoll herunterladen.

Bestehen Sie auf einer genauen Bestandsaufnahme des Bauzustandes ohne Zeitdruck. Darauf haben Sie ein gutes Recht. Lesen Sie das Protokoll genau durch, bevor Sie es unterschreiben Auch der Architekt kann Fehler machen oder etwas übersehen.

Mängel, die im Abnahmeprotokoll festgehalten und durch seine Unterschrift auch vom Bauunternehmer anerkannt worden sind, müssen Sie im weiteren Gang der Dinge nicht mehr beweisen.

Tipp 10:
Kann im Abnahmetermin kein Einvernehmen über die bestehenden Mängel und ihre Beseitigung hergestellt werden oder schieben die verschiedenen Handwerker die Verantwortlichkeit für unstreitig bestehende Mängel wechselseitig dem jeweils anderen zu, besteht die Möglichkeit, die Mangelhaftigkeit der Bauausführung, die Frage der Verantwortlichkeit  und die Feststellung der Arbeiten und Kosten für eine Mängelbeseitigung in einem so genannten selbständigen Beweisverfahren durch das Gutachten eines vom Gericht bestellten Sachverständigen verbindlich feststellen zu lassen.

Spätestens an diesem Punkt ist es zu empfehlen, einen im Baurecht erfahrenen und versierten Rechtsanwalt als Berater und Vertreter zuzuziehen. Denn nunmehr wird die Auseinandersetzung definitiv durch rechtliche Fragen bestimmt und auf der gerichtlichen Ebene geführt.

Möglich ist auch die Einholung eines außergerichtlichen Sachverständigengutachtens. Dieses hat aber keine verbindliche Wirkung und muss von der Gegenseite nicht akzeptiert werden. Im Zweifel ist daher ein gerichtliches Beweisverfahren vorzuziehen.

Dieses hat darüber hinaus den Vorteil, dass dessen Kosten letztendlich von derjenigen Partei zu tragen sind, die unterliegt. Werden die Mängel daher bestätigt, legt das Gericht letztendlich auch fest, dass das Bauunternehmen die Gerichtskosten, die Sachverständigenkosten und die Kosten Ihres Rechtsanwalts zu tragen hat. Die Kosten eines außergerichtlichen Sachverständigengutachtens müssen Sie demgegenüber gesondert einklagen, wenn das Baunternehmen nach dessen Vorlage zwar die Mängel beseitigt, die Erstattung von Kosten aber ablehnt.


Teil 4

Die Ansprüche bei Baumängeln durchsetzen!

An die Möglichkeit der Durchsetzung eventueller späterer Ansprüche wegen des Auftretens von Baumängeln sollten Sie bereits denken, lange bevor die Mängel auch nur auftreten können. Bereits im Bauvertrag sollten Sie Sicherheitsleistungen des Bauunternehmens regeln und anschließend auf die Stellung der Sicherheiten achten.

Tipp 11:
Ihre Ansprüche auf Erfüllung der Verpflichtung zu einer vollständigen und einwandfreien Bauleistung können Sie absichern durch

  • Vertragserfüllungsbürgschaften und
  • Gewährleistungseinbehalte bzw. –bürgschaften.


Bestehen Sie auf einer Regelung der Sicherheiten im Bauvertrag, die Sie so gut wie möglich gegen Ausfälle absichert. Was Sie insoweit durchsetzen können, ist reine Verhandlungssache. Ein Anwalt wird Sie diesbezüglich beraten und Ihnen Empfehlungen geben können.

Tipp 12:
Sind die Mängel da, stehen Ihnen nach dem Werkvertragsrecht verschiedene Rechte und Ansprüche zur Verfügung, die Sie mit Hilfe eines Rechtsanwalts geltend machen sollten:

 

Die Einzelheiten der zur Verfügung stehenden Rechte und ihrer Voraussetzungen sind ausgesprochen kompliziert. Die zugrunde liegenden Gesetzesvorschriften (§§  634 ff BGB) sind für den Laien schon im Wortlaut kaum zu verstehen. Hier können Sie daher sehr vieles falsch machen und sich dadurch im weiteren Gang der Dinge selbst um eigentlich begründete Ansprüche bringen. Es ist daher dringend zu empfehlen, die Ansprüche wegen Baumängeln nicht ohne anwaltliche Beratung geltend zu machen. Dies gilt verstärkt für den Fall, dass eine außergerichtliche Einigung nicht zustande kommt und Sie gezwungen sind, einen Bauprozess zu führen.