Scheinselbständigkeit

Ob Sie Handelsvertreter, Franchisenehmer, selbständiger Frachtführer oder Selbständiger in anderer Rechtsform sind - eines haben alle diese Gruppen gemeinsam: Wenn Ihre Selbständigkeit nur dem Schein nach, nur auf dem Papier, besteht, geht sie mit einer Abhängigkeit und einer Benachteiligung gegenüber Ihrem Vertragspartner einher. Diese Abhängigkeit macht Sie schutzbedürftig und führt unter bestimmten Voraussetzungen dazu, dass Ihr Vertragsverhältnis in Wirklichkeit als Arbeitsverhältnis einzustufen ist. Dann

Sowohl arbeitsrechtlich  wie sozialversicherungsrechtlich hängt die Beurteilung der Frage, ob z.B. ein  Handelsvertreter als selbständiger Kaufmann oder aber als Arbeitnehmer einzustufen ist, von einer Fülle von Kriterien und einer Gesamtwürdigung aller Umstände im Einzelfall ab.

§ 84 Abs. 1 und 2 HGB bestimmt: „Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. (…) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.“

Daraus hat die Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, dass

Dieser Grundsatz wird anhand einer Vielzahl einzelner Kriterien ausdifferenziert und umgesetzt und so im Einzelfall die Entscheidung über Selbstständigkeit oder Arbeitnehmereigenschaft getroffen. Maßgebend ist dabei nicht, was im Vertrag steht, sondern wie die Praxis aussieht und was im Alltag geschieht. Daher kann ein Handelsvertreter, dessen Vertrag eine selbständige Tätigkeit vorsieht, in Wirklichkeit Arbeitnehmer sein und alle Rechte des Arbeitnehmers in Anspruch nehmen.

Die Folgen sind enorm:

Daher kann es für Sie erhebliche finanzielle Folgen haben, wenn sich erst nach Ablauf mehrerer Jahre klärt, ob Sie selbständiger Handelsvertreter, Arbeitnehmer oder aber arbeitnehmerähnlicher Selbständiger sind. Dem sollten Sie vorbeugen:

Tipp 1:
Lassen Sie die Rechtsnatur Ihres Vertragsverhältnisses frühzeitig prüfen, wenn die Selbständigkeit nicht Ihre eigene Idee war und/oder
wenn Sie Anhaltspunkte dafür sehen, dass Ihr Vertragsverhältnis in Wirklichkeit ein Arbeitsverhältnis darstellt, bzw.
wenn Sie befürchten dass  Sie im Falle einer Betriebsprüfung durch die Sozialversicherung möglicherweise als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger eingestuft werden.

Wenden Sie sich zu diesem Zweck entweder die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund für sozialversicherungsrechtliche Statusfragen, wenn Sie Vertrauen in die Unabhängigkeit der Clearingstelle haben, oder an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht bzw. Sozialrecht.

Für die Beurteilung, ob Scheinselbständigkeit, d.h. ein Arbeitsverhältnis und Sozialversicherungspflicht, vorliegt, haben in der Praxis folgende Indizien eine besondere Bedeutung:

Treffen diese Indizien überwiegend auf Sie zu, empfiehlt es sich dringend, Ihren Status als Selbständiger, Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnlicher Selbständiger klären zu lassen, damit Sie nicht im nachhinein unangenehme und teure Überraschungen erleben müssen.

Gelangt Ihr Berater zu dem Ergebnis, dass Sie nur auf dem Papier selbständig, nach der Ausgestaltung und Handhabung in der Vertragspraxis hingegen Arbeitnehmer sind, können Sie dieses Ergebnis im Wege einer Klage vor dem Arbeitsgericht festschreiben lassen. Ebenso ist es zu empfehlen, die Aussichten einer Feststellungsklage auf Bestehen eines Arbeitsverhältnisses durch einen Fachanwalt gegenprüfen zu lassen, wenn die Rentenversicherung im Rahmen einer Betriebsprüfung oder eines Clearingverfahrens zu dem Ergebnis gelangt, dass Sie sozialversicherungsrechtlich als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger einzustufen sind. Stellt nämlich das Arbeitsgericht fest, dass Sie Arbeitnehmer und kein Selbständiger sind, so ist dies auch für die Sozialversicherung verbindlich und muss der Arbeitgeber sich an den Sozialversicherungsbeiträgen beteiligen, die Sie ansonsten allein tragen müssten. Deshalb gilt

Tipp 2:
Geben Sie nicht vorschnell auf. Als Arbeitnehmer sind Sie gegenüber Zumutungen Ihres Auftraggebers wesentlich besser geschützt als ein Selbständiger. Wo es begründete Zweifel gibt, ob ein Arbeitsverhältnis oder Selbständigkeit vorliegt, bringt nur die intensive Prüfung im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Klageverfahrens eine Klärung.  Scheuen Sie daher eine solche Klärung nicht, sofern Sie die Kosten dafür aufbringen können. Es geht um ganz erhebliche Folgewirkungen – Ihren rechtlichen Schutz und unter Umständen um viel Geld -  so dass die Kosten aufzubringen im Hinblick auf Chancen und Risiken lohnt.